Auswirkungen der Elektrifizierung 2020 Geltendorf – Lindau auf den ÖPNV in unserer Region
VERANSTALTUNG in Geltendorf
am 11. September 2018
Vortrag von Dr. Ralf Wiedenmann Bahn-Verkehrsexperte
Link:
2018_09_11 neu Auswirkung Elektrifizierung und 2.Stammstrecke auf Regionalverkehr Buchloe München
Bahn als Thema im Landtagswahlkampf: Was sind CSU-Wahlversprechen wert?
Die CSU hat die Bahn als Wahlkampfthema entdeckt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eilt zu einer Sondersitzung des Bayerischen Kabinetts Ende September, und verspricht den Bayerischen Vorfinanzierungsanteil von 1 Mrd. Euro für die 2. Stammstrecke sofort zu übernehmen. So stünden gemäss Ministerpräsident Markus Söder 1 Mrd. Euro zusätzlich für andere Projekte zu Verfügung, die sonst langfristig gebunden gewesen wären. Ausserdem verkündet er, dass die Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing nun überall 2-gleisige ausgebaut werden soll (siehe Pressemitteilung). Bisher wollte man zwischen Tüssling und Freislassing nur über einer 1-gleisigen Strecke den Fahrdraht ziehen. Gestern legte Scheuer nochmals nach und stellte mit grossem Brimborium den Deutschland-Takt vor. Auch die bayerische Verkehrsministerin Ilse Aigner blieb nicht untätig. Sie verspricht München inzwischen sogar eine Seilbahn am Frankfurter Ring (SZ 8.1.0.2018 „Geld für Seilbahnen„) und zeigt sich offen, dass die S4 nicht nur bis Eichenau sondern sogar bis Fürstenfeldbruck ausgebaut werden soll, soll, aber nur dreigleisig (siehe SZ 25.9.2018: „Drittes Gleis bis Bruck).
Was ist von all diesen Versprechungen zu halten?
- Kann Scheuer überhaupt 1 Mrd. Euro für die 2. Stammstrecke zur Verfügung stellen? Die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) betragen im nächsten Jahr nur 333 Mio Euro, und steigen erst 2020 auf 666 Mrd. Euro und 2021 auf 1 Mrd. Euro. Diese Mittel sind für die ganze Bundesrepublik und es ist kaum vorstellbar, dass Bayern allein 1 Mrd. Euro zusätzlich für sich beanspruchen kann (selbst wenn der Bundesverkehrsminister aus Bayern stammt).
- Hat uns nicht ex-Ministerpräsident Horst Seehofer im Oktober 2016 hoch und heilig versprochen, „. dass andere bayerische Projekte aus dem GFVG-Programm durch die Finanzierung der 2. Stammstrecke in München nicht beeinträchtigt werden.“ Unbeabsichtigt hat Söder nun seinem Vorgänger entlarvt, vor rund 2 Jahren ein leeres Versprechen abgegeben zu haben, denn ohne diese noch unsicheren 1 Mrd. Euro werden andere Projekte sehr wohl beeinträchtigt. Dies hat der CSU-Landtagsabgeordnete Ottmar Bernhard bereits Ende 2017 eingestanden.
- Ist es ein Zufall, dass das Gutachten zum Taktfahrplan 2030, was Verbesserungen im Zugverkehr auch für Bayern verspricht, gerade einmal fünf Tag vor der Landtagswahl veröffentlicht wird. Allerdings ist dieser Taktfahrplan beispielsweise auf der Strecke Pasing-Geltendorf-Buchloe gar nicht fahrbar, und zwar weder mit der derzeitigem Infrastruktur noch mit dem geplanten 3-gleisigen Ausbau Pasing-Eichenau, der ja ebenfalls 2030 abgeschlossen werden soll. Denn auf der zwischen Pasing nur 1-gleisigen Fernverkehrsstrecke würden gemäss diesem Fahrplan Regionalzüge und Fernzüge kollidieren, der geplanten 3-gleisige Ausbau ist also definitiv nicht zukunftsfähig, und ein 4-gleisiger ist erforderlich. Es war aber gerade die Staatsregierung unter Horst Seehofer und Verkehrsminister Joachim Herrmann, die 2014 einen 3- statt 4-gleisigen Ausbau als ausreichend anpries.
- Die Wähler sollten sich auch nicht Honig ums Maul schmieren lassen. Erinnert sei daran, was bisherige CSU-Staatsregierungen so alles verkündet haben, ohne es auch nur Jahrzehnte später zu verwirklichen. Ich zitierte Ex-Verkehrsminister Otto Wiesheu, was er im Dezember 2004 versprochen hat: Erdinger Ringschluß: Fertigstellung bis ca. 2009/2010, Zweite Stammstrecke: Fertigstellung ca. bis 2010, Verlängerung der S7 Wolfratshausen – Geretsried: Fertigstellung ca. 2009, Ausbau der S 4 West: Fertigstellung ca. 2009 (dieser Beitrag wurde offensichtlich vom Internet gelöscht, liegt der Redaktion allerdings vor). Aber auch jüngste Versprechungen entpuppten sich als Luftschlösser. Joachim Herrmann stellte 2014 in Aussicht, dass das 3. Gleis-Pasing-Eichenau bis 2019 realisiert sei, inzwischen spricht man von 2030 (SZ, 19.11.2014).
- Die CSU-Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck und München-West Katrin Staffler und Stephan Pilsinger setzte sich vor der Wahl im Herbst 2017 für den 4-gleisigen Streckenausbau Pasing-Eichenau aus (SZ, 15.9.2017: „Kandidaten für ein viertes Gleis“). Seitdem sie im Bundestag sitzen, war nicht mehr von ihnen zu hören.
Gerne halten sich die geplagten S-Bahn-Pendler an den Strohhalm fest, dass die CSU dieses Mal die Versprechungen wirklich hält. Aber bevor sie den Stimmzettel ausfüllen, sollten sie sich zweimal überlegen, ob sie nicht (wieder) einer Illusion aufsitzen.